Nach längerer Turnierpause entschloss ich mich dazu, das vom 31.5. bis zum 6.6. (und somit nicht an Pfingsten) stattfindende 1. Münchner Pfingst-Open zu spielen. Mein letztes Turnier hatte ich davor im August 2022 in Augsburg mit recht ernüchternder Performance (3,5/7, Eloperformance 1916, Eloveränderung: -29,0) gespielt, meine Erwartungen waren also nicht allzu hoch.
Durchaus… interessant war die Organisation des im Gymnasium München-Moosach veranstalteten Turniers, dem man durchaus anmerkte, dass es seine erste Austragung war. Als erfahrener Turnierspieler ist man ja daran gewöhnt, dass die erste Runde eines Schachturniers grundsätzlich niemals pünktlich losgeht. Für mich neu war allerdings der Grund, wieso es nach ohnehin bereits 45 Minuten Verzögerung nochmals rund 30 Minuten dauerte, bis schließlich alle an ihren Brettern saßen und es losgehen konnte.
Man hatte sich dazu entschlossen, es mit dem Verbot von elektronischen Geräten besonders ernstzunehmen, alle Spieler dazu aufzufordern, Rucksäcke und Handys vor dem Spielsaal zurückzulassen und jeden einzeln am Eingang zum Turniersaal auf Elektronik abzuscannen, was natürlich bei rund 250 Spielern aus A- und B-Open einige Zeit in Anspruch nahm. Grundsätzlich finde ich es ja durchaus lobenswert, dass man etwas gegen Cheating unternehmen möchte. Das Konzept bei diesem Turnier hatte allerdings so seine Schwächen:
Die größte darunter war, dass man den Turniersaal auch problemlos einfach von der anderen Seite betreten konnte, ohne sich abchecken zu lassen. Dass die ersten paar Runden deswegen zuverlässig 10-15 Minuten verspätet losgingen, fand ich auch nicht unbedingt ideal. Etwas nervig wurde es dann, als man sich für zwei Runden zwischenzeitlich entschlossen hatte, die Spieler auch bei jedem Gang auf die Toilette abzuscannen. Vor Runde 6 (glaube ich) wurden dann sämtliche Elektronik-Kontrollen, auch die vor den Runden, plötzlich eingestellt, ohne dass man erfahren hätte, warum
Zurück zum ersten Tag: Mit rund 75 Minuten Verspätung ging es dann nach einer erfrischend kurzen Begrüßungsrede (auf Englisch, ich gebe deren Inhalt hier sinngemäß auf Deutsch wieder, und ich verkürze das ganz unironisch nicht, länger war es wirklich nicht: Sorry für die Verspätung, viel Spaß, Schwarz startet die Uhr) los. Mit einer Elo von 2062 war ich in dem stark besetzten Turnier in der hinteren Hälfte des Turniers gesetzt und das Schweizer System setzte mich dementsprechend vor eine recht schwere Aufgabe in Form des indischen IM G B Harshavardhan (Elo 2408), gegen den ich mit den schwarzen Steinen spielte. Falls sich jemand über den abgekürzten „Vornamen“ wundert: Es ist offenbar in Südindien üblich, den Namen grundsätzlich in abgekürzter Form mit Initialien, die für Vatersnamen und Heimatort stehen, wiederzugeben. Also das hat mir zumindest Google nach einer Kurzrecherche ausgespuckt, falls es jemand besser weiß, klärt mich gerne auf.
Wie meistens gegen 1. d4 antwortete ich mit Grünfeld-Indisch. Auf 4. h4 hätte ich im Nachhinein lieber nicht 4… h5 gespielt, aber da beeinflusst mich sicher auch das Ende der Partie etwas. Wie so oft kam ich nicht wirklich gut aus der Eröffnung, konnte die Stellung dann aber doch halbwegs akzeptabel gestalten. In einem ziemlich unübersichtlichen Mittelspiel bot sich mir kurz die Gelegenheit, in Vorteil zu kommen, stattdessen unterlief mir aber ein grober Fehler und so musste ich schon im 23. Zug die Segel streichen. Sicherlich gibt es schlechtere Stellen für so einen Patzer als mit Schwarz gegen einen IM und da ich mit mangelnder Turnierpraxis schon in den Zügen vorher viel hatte rechnen müssen, war das vermutlich auch irgendwie zu erwarten, aber dennoch war es ärgerlich, die Partie so leichtfertig herzuschenken.
Die zweite Runde fand dann am folgenden Abend um 18 Uhr statt und hielt als Gegner für mich Guido Guggenberger (Elo 1910) bereit, dieses Mal hatte ich Weiß. Ich war zu faul mich vorzubereiten, traf aber glücklicherweise auf eine Caro-Kann-Variante, die ich ohnehin ziemlich gerne spiele. In diesem recht zweischneidigen Abspiel konnte ich einen äußerst bedrohlichen Königsangriff entfesseln, der mich bei korrektem Spiel zu einem schnellen Sieg gebracht hätte. Nach starker Verteidigung meines Gegners konnte ich aber nur mit großer Mühe lediglich ein leicht besseres Damenendspiel erreichen, in dem Schwarz beste Chancen zu einem Remis hatte. Letztlich ließ mein Gegner jedoch einen Damentausch zu, nach dem sich ein um einen Zug für mich gewonnenes Bauernendspiel und somit nach fünf Stunden ein etwas glücklicher Sieg für mich ergab.
In Runde 3 war ich somit wieder mit Schwarz der Underdog und traf auf FM Simon Degenhard (Elo 2247). Wie schon zu oft geriet ich im Maróczy-Aufbau in eine viel zu passive Stellung und kämpfte die gesamte Partie erfolglos darum, irgendwie auszugleichen. Macht relativ wenig Spaß und von Erfolg gekrönt war es in diesem Fall auch nicht. Was ich aus dieser Partie aber mitnehme: Zukünftig sollte ich einen anderen Aufbau gegen Maróczy wählen. Das Zeug, was ich bisher spiele, taugt nichts.
Somit bekam ich in Runde 4 wieder mit Weiß einen Gegner mit einer niedrigeren Elo: Clemens Lerchl (Elo 1950). Da ich nicht wirklich Lust auf eine mögliche Theorieschlacht in der Drachenvariante hatte und sich meine Alternativen in meinem Repertoire mit 1. e4 doch arg in Grenzen halten, wich ich auf das Londoner System aus, das ich wahrscheinlich drei oder vier Jahre lang nicht gespielt hatte. Nach einem einigermaßen unspektakulären Partieverlauf ließ mein Gegner im 29. Zug einen taktischen Schlag zu, der ihn einen Bauern und seine Königssicherheit kostete. Wenig später konnte ich mit einem Turmopfer ein schnelles Matt erzwingen.
In Runde 5, übrigens die erste Doppelrunde des Turniers, nachdem Runde 4 erstmals an einem Vormittag stattgefunden hatte, setzte sich das Muster also fort und ich durfte wieder als Außenseiter mit Schwarz ran. Leider fuhr ich auch ergebnistechnisch fort wie bisher und verlor gegen Simon Leeb (Elo 2242). Mehrere positionelle Fehler brachten mich in eine aussichtslose Stellung, in der sich auch so gut wie keine Chancen für Gegenspiel ergaben und so ereilte mich eine verdiente Niederlage.
Die sechste Runde am Sonntag war glücklicherweise wieder die einzige Runde an diesem Tag. Mit Felix Beck (DWZ: 2018) traf ich auf einen der wenigen Spieler dieses Turniers ohne Elozahl. Ungefähr so selten wie ein Spieler ohne Elo in diesem Turnier war auch die Art und Weise, wie ich diese Partie gewann: Ich konnte meinen Gegner in der Eröffnung überrumpeln und ich weiß ehrlich nicht, wie lange es her sein muss, dass mir das zuletzt gelungen ist. Mit einer seltenen Variante, die ich sonst ausschließlich im Bullet- und Blitzschach spiele, kam ich schnell in eine gewonnene Position, in der ich mühelos meine Stellung verstärken und zu einem ungefährdeten Sieg kommen konnte.
Am Montag folgte die zweite Doppelrunde. Vormittags traf ich in Runde 7 auf einen alten Bekannten: Sebastian Hoffmann (Elo 2151). Nach dem zu frühen Ende meiner Theoriekenntnisse geriet ich schnell in eine prekäre Situation, in der ich gerade so um einen Bauernverlust herumkam. Dennoch konnte ich in der Folge dem gegnerischen Angriff nicht standhalten und nachdem ich selbst dafür gesorgt hatte, dass einer meiner beiden Läufer „tot“ steht, war die Stellung nicht mehr zu halten. Also mal wieder eine Schwarzpartie, wieder ein Verlust. Damit es nicht allzu langweilig wird: Schaut euch doch zwischendurch mal den lehrreichenYouTube-Kanal von Sebastian Hoffmann an und lasst eventuell ein Abo dort.
In der Nachmittagspartie und achten Runde spielte ich gegen die erst zwölfjährige WCM Shatil Or aus Israel (Elo: 1951). Ich habe ja grundsätzlich schon oft ein mulmiges Gefühl, wenn ich gegen Kinder spielen muss, und wenn sie in diesem Alter schon fast so gut sind wie ich jetzt, dann erst recht. Dass ich bei der Vorbereitung herausfand, dass sie erst im Februar bei einem Turnier in Österreich meinen starken Gegner aus der dritten Runde (zur Erinnerung: FM) mit Schwarz (!) geschlagen hatte, beruhigte mich auch nicht unbedingt. Um einem theorielastigen Sweschnikow-Abspiel aus dem Weg zu gehen und um sämtliche Vorbereitungen zunichte zu machen, spielte ich einen geschlossenen Sizilianer, von dem man im Gegensatz zu 2. Sf3, 2. d4 und 2. c3 nichts von mir findet. Davon habe ich zwar nicht wirklich Ahnung, aber irgendwie schlug mein Angriff am Königsflügel sofort durch und nach 18 Zügen und zwei Stunden errang ich einen schnellen Sieg.
In Runde 9 wollte ich gegen die chinesische WFM Zhuoling Li (Elo: 2216) endlich meinen Schwarzfluch brechen und nicht mit 0/5 mit den schwarzen Steinen aus dem Turnier gehen. Da das Prinzip „spiel einfach irgendwas, wovon du keine Ahnung hast“ in Runde 8 so gut geklappt hatte, folgte ich diesem Motto auch in der letzten Runde und spielte zum wohl ersten Mal in meinem Leben Caro-Kann. Tatsächlich kam ich schnell in eine sehr komfortable Stellung mit einem Mehrbauern und stand zwischenzeitlich klar besser. Der Vorteil verpuffte allerdings schnell und ich geriet in ein etwas schlechteres Endspiel. Dort konnte ich jedoch schnell ausgleichen und im 40. Zug endete die Partie in einem Remis.
Fazit zu diesem Turnier nach viel zu viel Text: Ich bin zufrieden. Mit sieben Gegnern aus der Altersklasse U25 hatte ich keine sonderlich leichte Auslosung, mit einer Eloperformance von 2121 und einem Elo-Plus von 4 sowie einem DWZ-Plus von 16 kann ich nach einer längeren Turnierpause durchaus zufrieden sein. Selten dürfte ich in einem Turnier bessere Weißpartien gespielt haben, allerdings werde ich auch nicht allzu oft schlechter mit Schwarz performt haben. Bis auf das Remis in der letzten Runde kam ich in allen Schwarzpartien nicht wirklich gut aus der Eröffnung, es wird also wohl wirklich mal Zeit, an meinen Eröffnungskenntnissen zu arbeiten, auch wenn ich das bisher konsequent vermieden habe. Zudem liefen die Partien, in denen ich völlig von meinem üblichen Repertoire abgewichen bin, überraschend gut. Es ist also wohl an der Zeit, flexibler und besser auf alles vorbereitet in der Eröffnung zu werden.
Abschließend lässt sich noch sagen, dass ich hoffe, dass dieses Turnier auch nächstes Jahr wieder stattfindet. Vielleicht lag es am idealen Wetter, aber ich finde München ist ein ganz guter Austragungsort für ein Turnier und München ist eine der wenigen Städte, in denen ich mich wirklich wohl fühle. Für mich geht es wahrscheinlich Anfang Juli in Heimatnähe mit dem nächsten Turnier weiter, bis dahin werde ich wohl einige jahrelang ungenutzt herumliegenden Eröffnungsbücher mal eines Blickes würdigen.